Zahnseide verhindert Karies und Parodontitis – stimmt das überhaupt? Studien, die das belegen, gibt es jedenfalls nicht

Studien haben es ans Tageslicht gebracht: Der landauf, landab lautstark propagierte Gebrauch von Zahnseide ist ohne messbaren Nutzen. Weder verhindert Zahnseide Karies und Parodontitis noch gibt es wissenschaftlich stichhaltige Beweise, dass mit der Fädelei andere Erkrankungen unterbunden werden können.

In den meisten Prophylaxe-Abteilungen von Zahnarztpraxen gehört die Empfehlung an die Patienten, doch bitte täglich Zahnseide zu benutzen, zum Standard-Ermahnungs-Repertoire.

Nur so könne z. B. der Parodontitis vorgebeugt werden. Doch wer bisher glaubte, solche Empfehlungen seien mit vielen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen untermauert, muss enttäuscht werden: Es gibt keine wissenschaftliche Untersuchungen, die die Wirksamkeit von Zahnseide belegen und es hat sie auch nie gegeben.

"Alles in allem scheint Zahnseide Karies bei Kindern nicht wirksam vorbeugen zu können"

„Entdeckt“ wurde diese erstaunliche Lücke von Wissenschaftlern aus den USA, Kanada und Brasilien. Sie haben weltweit in Datenbanken nach Belegen für die Wirksamkeit von Zahnseide gesucht – und wurden nicht fündig. Ihr ernüchterndes Ergebnis: „Zur Wirksamkeit von Zahnseide bei Erwachsenen und zur Vorbeugung anderer Probleme wie Zahnfleischerkrankungen fanden sich keine Studien“, heißt es zusammenfassend in einer Veröffentlichung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) aus Köln. Und weiter an anderer Stelle: „Auch wenn allgemein stark empfohlen wird, die Zähne täglich zusätzlich mit Zahnseide oder Interdentalbürsten zu reinigen, ist nicht belegt, dass diese Art der Zahnpflege für Menschen mit guter Zahngesundheit einen großen Unterschied bedeutet.“

Der Gebrauch von Zahnseide verbessert nicht automatisch die Qualität der Mundhygiene

Mit Kindern waren ebenfalls Untersuchungen gemacht worden – und auch da lautet das Ergebnis: „Alles in allem scheint Zahnseide Karies bei Kindern nicht wirksam vorbeugen zu können“, so die Wissenschaftler. Ihr abschließendes Urteil: „Zahnseide bietet keinen zusätzlichen Schutz, der nicht schon durch fluoridhaltige Zahnpasta geboten wird.“

Ein ähnliches Ergebnis hatten zuvor schon Wissenschaftler von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf zutage gefördert. Ihr Fazit: „Der Gebrauch von Zahnseide verbessert nicht automatisch die Qualität der Mundhygiene.“ Auch US-Forscher waren zwei Jahre vorher zu dem Ergebnis gekommen, dass die zusätzliche Anwendung von Zahnseide im Vergleich zum alleinigen Zähneputzen mit einer Zahnbürste zu keinerlei Verbesserungen führt.

Das schlimme ist: Bei der täglichen Zahnpflege hilft Zahnseide nicht nur nicht, sie kann sogar Karies befördern. So wurde in einer Studie festgestellt, dass das Kariesrisiko bei Kindern ansteigen kann.

Anzeige

Der Grund: Die Zahnseide beschädigte die Saum-Häutchen, eine Art Dichtring, der dort sitzt, wo der Zahn im Zahnfleisch verschwindet.

Zahnseide kann Karies befördern

Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder kritische Stimmen rund um den Gebrauch von Zahnseide. Es beginnt schon bei der ganz einfachen Frage, wie überhaupt richtig gefädelt wird.

Während zum Beispiel oft empfohlen wird, die Zahnseide bis zum Zahnfleischansatz mehrmals auf und ab zu bewegen, um so den Zahnbelag (Plaque) abzureiben, kommt von einer Krankenkasse der Tipp, die Seide auch unter das Zahnfleisch zu führen, um so die Reinigung noch wirksamer zu machen. Doch der Effekt kann sich dabei ins Gegenteil verkehren: Es besteht die Gefahr, dass die Plaquebakterien noch tiefer in die Zahnfleischtaschen geschoben werden.

Tipps zum Gebrauch von Zahnseide: Wie wird richtig gefädelt?

Und wie oft sollten die Zähne gefädelt werden? Auch hier ist die Variationsbreite der Antworten groß: Die Empfehlungen gehen von ein Mal pro Woche bis täglich.

Viele Zahnseidenbenutzer fragen sich auch immer wieder: Ist es schlimm, wenn ich mit dem Faden mein Zahnfleisch verletze? Denn auch bei größter Vorsicht lassen sich solche Schnitte ins Zahnfleisch nicht immer vermeiden. Bei eng sitzenden Zähnen prallt die Seide nach Überwindung des Kontaktpunktes mit voller Wucht auf das empfindliche und vielleicht schon entzündete Zahnfleisch und führt zu Blutungen.

Zahnseide: Die Verletzungsgefahr ist groß

Insbesondere im Backenbereich, wo ohne Sichtkontrolle und nur nach Gefühl mit der Seide zwischen den Zähnen herumhantiert wird, ist die Verletzungsgefahr groß. Und natürlich kann blutendes Zahnfleisch wieder zu neuen Entzündungen führen und Heilungsprozesse stören. Auch besteht die Gefahr, dass Bakterien von einer infizierten Zahnfleischstelle zur nächsten, noch gesunden, transportiert werden.

Wenig bekannt ist auch, dass Zahnseide insbesondere bei den Backenzähnen, den Molaren, gar nicht so effektiv ist, wie immer unterstellt wird. Denn die sind nicht so schön rund, wie sie es für ein gutes Reinigungsresultat sein müssten. Backenzähne haben vielmehr oft Einbuchtungen.

Ein gespannter Faden kann den Zahnbelag in diesen Bereichen gar nicht erreichen. Da hilft auch kein noch so intensives Fädeln. (Siehe auch Bericht im Spiegel).

 

Lesen Sie alle Teile des Berichts

  1. Zahnseide verhindert Karies und Parodontitis – stimmt das überhaupt?

  2. Gesunde Zähne: Was hilft gegen Karies, Plaque und Zahnfleischentzündungen?

Das könnte Sie auch interessieren:

Empfindliche Zähne: Was den Schmerz vertreibt

Elektrozahnbürste oder Handzahnbürste

Anzeige