Gesundes Sitzen ohne Rückenschmerzen

Wir „versitzen“ unser Leben. Mehr als die Hälfte unserer wachen Stunden sitzen wir – zum Beispiel vor dem Fernseher oder dem Computer, im Auto, in Bus und Bahn. Die Folgen: Fast jeder klagt mehrmals im Jahr über Rückenschmerzen: Die eigentliche Ursache: Unser Körper ist für das Sitzen gar nicht gemacht. Von Natur aus sind wir Läufer, Steher und Lieger. Mit vielen trickreichen Erfindungen wird deshalb versucht, aus dem ungesunden Sitzen gesundes werden zu lassen. Die Muskeln sollen etwas zu tun bekommen, während wir am Schreibtisch arbeiten, damit der Rücken entlastet wird. Wunder darf man sich von diesen modernen Stühlen trotzdem nicht erhoffen.

 Australische Forscher haben es vor kurzem mit einer Studie untermauert: Sitzen macht krank. 8.800 Männer und Frauen (Durchschnittsalter 53 Jahre) wurden sechs Jahre lang immer wieder nach ihrem „Sitzverhalten“ befragt. Das Ergebnis: Je länger die tägliche Fernsehzeit ist, desto größer auch das Risiko, an einer Herz-Kreislauferkankung zu sterben.

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Jede weitere Stunde (pro Tag) lässt das Risiko um 18 Prozent (!) ansteigen. Wer mehr als vier Stunden vor dem Fernseher sitzt, hat ein fast doppelt so hohes Risiko (80 Prozent) als die mit weniger als zwei Fernsehstunden täglich.

Langes Sitzen macht leichter krank

Und bei einer ähnlichen Studie aus Kanada mit 17.000 erwachsenen Teilnehmern kam heraus, dass sogar Menschen, die eigentlich fit, ohne Vorerkrankungen und nicht übergewichtig sind, durch langes Sitzen (egal aus welchem Grund) leichter krank werden. Die Schlussfolgerung der Forscher: Auch wer auf seine körperliche Fitness achtet, hebt durch langes Sitzen viele positive Wirkungen wieder auf.

Ähnlich war auch das Ergebnis einer US-Studie: Über einen Zeitraum von 14 Jahren wurde das Bewegungsverhalten von über 120.000 Männern und Frauen per Fragebogen beobachtet. Auch wenn alle anderen Faktoren wie Rauchen, Body-Mass-Index (Übergewicht) oder das Fitness-Verhalten bei der Auswertung berücksichtigt wurden, kam heraus: Allein langes Sitzen (mehr als sechs Stunden täglich) ist ein eigenständiger Auslöser für tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Unser Körper ist auf Bewegung eingestellt. Wer sitzt, fährt den Stoffwechsel herunter. Die Muskeln werden schlaff, insbesondere die, die für aufrechtes Stehen und Gehen verantwortlich sind. Auch die Gelenke versteifen, was einer gebeugten Haltung und Rückenschmerzen Vorschub leistet. Und natürlich wird die Fettverbrennung heruntergefahren.

Ungesundes Sitzen: Schlechtere Blutzucker- und Blutfettwerte

Eine interessante Zahl zum Vergleich: Wenn wir sitzen, verbrennen wir nur zirka fünf Kalorien pro Stunde; im Stehen sind es dreimal so viele, nämlich 15 Kalorien. Da wundert es dann auch nicht, dass Vielsitzer meist schlechtere Blutzucker- und Blutfettwerte haben.

Wenn Computer und Fernseher schon nicht mehr aus unserem Leben verbannt werden können – es gibt keinen Grund, den Körper starr und steif zu halten.

Vom Sitzball bis zum Wackelhocker. Aber nicht länger als 30 Minuten am Stück

Dynamisches Sitzen heißt seit einigen Jahren das Zauberwort. Eine Fülle von neuen Sitzmöbeln hat uns dieser Trend beschert – vom krankenkassengesponserten Sitzball bis zum hochpreisigen Wackelhocker aus edlem Holz.

Der tragende Gedanke bei allen Erfindungen: Wenn Rücken- und Rumpfmuskulatur dank kleinster Ausgleichsbewegungen gestärkt werden, hält das den Rücken gesund und schmerzfrei. So lässt sich der einseitigen Belastung der Wirbelsäule vorbeugen und die Durchblutung von Muskeln und Bandscheiben fördern. Das stimmt, doch länger als 30 Minuten am Stück sollte man trotzdem nicht auf wackeligen Flächen sitzen.

Denn mittlerweile haben Studien gezeigt, dass die Muskeln, die die Wirbelsäule stabilisieren, auch überlastet werden können. „Dann kehrt sich der Effekt um, und man nimmt aufgrund der Überbelastung der Muskeln eine ungesunde Haltung ein“, so Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Dynamisches Sitzen: So gut wie kein gesundheitlicher Vorteil?

Noch kritischer wird das „dynamische Sitzen“ in einer aktuellen Meta-Studie gesehen, die Wissenschaftler aus Irland, Australien und Belgien vorgelegt haben: Sie sehen so gut wie gar keinen gesundheitlichen Vorteil für die Rumpfmuskulatur.

 Luftgefüllte Bälle (und andere wackelige Sitzgelegenheiten) haben häufig noch einen weiteren gravierenden Nachteil: Es fehlt die Rückenlehne zum Abstützen der Wirbelsäule.

Sitzkniestühle mit Nachteilen

Besonders kritisch werden von Experten Sitzkniestühle gesehen. Zwar wird man zum aufrechten und bewegten Sitzen gezwungen. Doch weil die Unterschenkel stark abgeknickt werden, behindern sie die Blutzirkulation im Beinbereich.

In der Praxis kommen solche Gerätschaften nur selten als vollwertiger Ersatz für einen Bürostuhl infrage. Und die Erfahrung zeigt auch in vielen Fällen: Die Bereitschaft, es sich auf neuartigen Sitzen bequem zu machen, lässt mit der Zeit nach.

Anders sieht es mit Möbeln aus, die altbekannt sind, aber um neue Funktionen unaufdringlich ergänzt wurden: Wenn mit wenigen Handgriffen (oder per leise surrendem Motor) aus einem „Sitztisch“ ein „Stehtisch“ wird, an dem genau so gut gearbeitet werden kann (solange man Lust dazu hat), dann ist die Akzeptanz auch viel höher.

Schont den Rücken: Wie wäre es mit einem Stehpult?

Und Fitness-Süchtige stellen sich am besten gleich an einen Lauftisch (mehr dazu weiter unten im Text). Eine sinnvolle Investition können auch Stehpulte sein, zum Beispiel zum Lesen längerer Texte – egal, ob auf Papier oder Tablet-Rechner.

Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Es geht natürlich auch preiswerter. Gestalten Sie Ihren Alltag einfach bewegungsreicher, dann dürften viele von ihren Rückenschmerzen befreit werden.

Immer in Bewegung: Am Lauftisch mit weniger Rückenschmerzen

 Arbeiten im Sitzen am Schreibtisch und Rückenschmerzen geht oft zusammen. Wie wäre es dann mit Bewegung am Schreibtisch? Warum nicht die Arbeit am Schreibtisch mit Fitness verknüpfen?

Diese Überlegung steht hinter einem neuen Produkt, das in den USA derzeit als die Lösung u.a. unter anderem auch für Rückenschmerzen gehandelt wird – das Laufband mit aufgesetztem Schreibtisch. In gemütlichem Tempo oder etwas flotter (0,6 bis 6 km/Stunde) geht man auf der Stelle, während zum Beispiel die Hände flink über die Computer-Tastatur gleiten.

Wer geht, stärkt nicht nur die Rückenmuskulatur, sondern denkt auch besser

Und auch die grauen Zellen sollen besser arbeiten. Denn durch Studien weiß man, dass Gehende besser denken und lernen können. Viele machen es ganz spontan und wandern durchs Zimmer, wenn sie ein Problem lösen müssen oder etwas auswendig lernen. Manchem Jogger kommen bekanntlich die besten Ideen bei seiner Freizeitbeschäftigung.

Als Alternative zum Laufband bietet sich dann noch ein Mini-Stepper an. Die Vorteile: Der Platzverbrauch ist geringer.

Die Preise: Für einen Mini-Stepper zahlt man zwischen 50 und 100 Euro; ein Laufband-Schreibtisch („Desktop Laufband“) kostet um die 1500 Euro.

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