Viagra & Co: Viele Frauen empfinden die Reaktivierung des Sexuallebens als Zwang Gebrauch von Potenzpillen als Grund für Scheidung

Ganz dumm kann es laufen, wenn Männer ihre Partnerinnen nach Jahren der Flaute im Bett mit unerwarteter Potenz überraschen wollen. Oder wenn die Frau zwar weiß, dass der Mann die Pillen im Medizinschrank liegen hat, aber sie erst im Bett davon erfährt, dass er kurz vorher das Mittel eingenommen hat. „Ich merke dann plötzlich, dass er Sex haben will.

Er hat sie geschluckt, ohne mit mir vorher darüber zu sprechen“, zitiert Annie Potts eine 53 Jahre alte Frau. „Das ärgert mich tierisch. Aber er sagt mir nur, dass er dafür keine Erlaubnis brauche. Für mich ist dann Schluss. Klar ist er verärgert. Ich glaube er denkt an die vergeudete Pille . . .(lacht)“.

Viele Frauen empfinden diese Reaktivierung des Sexuallebens als Zwang

Im Gegensatz zu dem rosigen Gemälde das die Potenzmittelhersteller zeichnen, gibt es nicht wenige Fälle, in denen eine gut eingespielte Partnerschaft plötzlich aus den Fugen gerät, weil Viagra, Cialis oder andere Potenzpillen auf der Basis des Arzneistoffs Sildenafil plötzlich auftauchen. Insbesondere ältere Ehefrauen, so Anni Potts, fragen sich: „Warum soll man nicht akzeptieren dürfen, dass sich das Leben ändert?“

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Bei manchen kommen Selbstzweifel auf: „Bin ich nicht normal, weil ich mich gegen ein „full-sex“-Leben sperre?“ Viele Frauen empfinden diese Reaktivierung des Sexuallebens als Zwang. Die Wissenschaftlerin hält diese Folgen für ein von der etablierten Medizin übersehenes Thema. Dort werde auf die Effizienz der Medizin gesehen und die Auswirkungen auf das Leben der Paare völlig ignoriert.

Viele Probleme durch den Gebrauch von Potenzmitteln rühren nach Ansicht vieler Wissenschaftler auch daher, dass ein ziemlich vereinfachtes Bild der sexuellen Bedürfnisse vorherrscht. Kurz gesagt: Männer wollen (fast) immer und Frauen können (fast) immer. Dass die Wirklichkeit wesentlich komplexer ist, blenden die Hersteller von Viagra und Co. gerne aus. Stress am Arbeitsplatz und zu Hause, Partnerkonflikte, langjährige Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, schlechtes persönliches Zeitmanagement – es gibt viele Gründe, warum es mit der Sexualität nicht mehr richtig klappen will.

Stress, so der Mediziner, sei mittlerweile zum größten Lustkiller geworden

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Der Mediziner und Buchautor Abraham Morgentaler erwähnt den Fall eines verheirateten Mannes Anfang 30, vier Kinder, der ein Potenzmittel haben wollte. Der Grund: Er und seine Frau hätten nur noch selten Geschlechtsverkehr. Er erwähnt Stress und Müdigkeit und oft würde es dann auch im Bett nicht klappen. Jetzt glaubt er, dass seine Frau vermutet, er halte sie nicht mehr für attraktiv, weil sie nach den Kindern etwas an Gewicht zugelegt hätte. Das sei aber alles falsch; er liebe seine Frau natürlich noch. Seine Hoffnung: Viagra und Co. könnten ihn trotz Stress zu mehr Manneskraft verhelfen. Der Arzt rät ab. Seine Empfehlung: Das Paar solle einen Abend in der Woche für sich freihalten und für die Kinder einen Babysitter besorgen.

Der Tipp, so erfuhr er später, war genau richtig. Stress, so der Mediziner, sei mittlerweile zum größten Lustkiller geworden. In solchen Fällen sei intelligentes Zeitmanagement wichtiger als Potenzpillen.

Insbesondere in den USA wird immer häufiger von Trennungen berichtet

Die Viagrawelle hat oft nicht nur unerwünschte Folgen innerhalb von Ehen, sondern lässt sie auch auseinandergehen. Das sagen zumindest Scheidungsanwälte – und die sollten es ja wissen. Insbesondere in den USA wird immer häufiger von Trennungen berichtet, weil Männer glauben, mit den Pillen eröffneten sich völlig neue Lebens- und Sexualperspektiven. Ein bekannter New Yorker Scheidungsanwalt sprach vor kurzem von mindestens 70 Scheidungsfällen in seiner Praxis, die zumindest zum Teil auf den Gebrauch von Potenzpillen zurückzuführen seien. Meistens seien es Männer über 50, die ihre neu entdeckte sexuelle Leistungsfähigkeit auf ihre Weise ausnutzen und sich jüngere Freundinnen nehmen. Häufig seien die

Pillen aber auch nur der letzte Auslöser für eine Scheidung, so der Anwalt. In den meisten Fällen hing die Ehe ohnehin nur noch an einem seidenen Faden. → zurück zu Teil 1

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