TV-Spots unter der Lupe: Voltaren Harmloses Diclofenac?

 "Muskel-, Gelenk- und Rückenschmerzen. Fast jeder kennt sie. Aber kaum jemand weiß, dass ihnen meist eine Entzündung zugrunde liegt. Hier hilft die Voltaren Schmerzgel 2-fach-Wirkung.“ So heißt es im neusten Werbespot der Pharmafirma Novartis. Wirkstoff ist die Chemikalie Diclofenac, die Anfang der 60er Jahre in der Schweiz synthetisiert wurde und mittlerweile auch in anderen Schmerzmitteln steckt. Diclofenac lindert die Schmerzen, weil es dafür sorgt, dass weniger Entzündungsbotenstoffe entstehen.

Soweit der gute Teil der Botschaft, die auch in dem Werbespot sehr anschaulich vermittelt wird – das Wort SCHMERZ zerbröselt in tausend Teile und auch die ENTZÜNDUNG löst sich in Luft auf. Diese Kernaussage verstehen sogar Zuschauer, die nicht mehr so gut hören können.

Wer den weniger guten Teil der Botschaft entdecken will, muss die Packungsbeilage lesen („Oder fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“). Die Liste der Nebenwirkungen ist nicht übermäßig lang – häufig sind Hautausschlag, Ekzeme, Hautrötung, Dermatitis (einschließlich Kontaktdermatitis) und Juckreiz.

Diclofenac: Wirkstoff erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

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Doch einen Satz ziemlich am Ende der Gebrauchsinformation sollte man nicht überlesen: „Wenn Voltaren Schmerzgel großflächig auf die Haut aufgetragen und über einen längeren Zeitraum angewendet wird, ist das Auftreten von Nebenwirkungen, die ein bestimmtes Organsystem oder auch den gesamten Organismus betreffen nicht auszuschließen. Diese Nebenwirkungen sind vergleichbar mit solchen, die unter Umständen bei Einnahme anderer Diclofenac-haltiger Arzneimittel auftreten können.“

Über eine dieser Nebenwirkungen (und es gibt viele) wurde vor kurzem in der pharmazeutischen Fachpresse ausführlich berichtet: Der Wirkstoff erhöht das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen. Die Warnung stammt von der EU-Arzneimittelbehörde. Sie bezieht sich zwar nur auf die Einnahme von Tabletten und Saft oder Infusionen. Doch der Hersteller-Hinweis ist schon richtig: Auch über die Haut kann der Wirkstoff in den Körper gelangen.

Diclofenac ist einer der am häufigsten eingesetzten pharmazeutischen Wirkstoffe. Laut Arzneiverordnungs-Report 2012 waren es im Jahr 2011 mehr als 419 Millionen Tagesdosen, rund 90 Tonnen. Ein Großteil dieser Medizin verlässt den Körper unverändert, geht ins Abwasser und von dort in die Klärwerke, wo sie nur zum Teil wieder aus dem Wasser herausgefiltert werden kann.

Seit 2005 ist Diclofenac in Indien für die Behandlung von Tieren verboten

Diclofenac gehört zu den Arzneimitteln, die „als eindeutig umweltrelevant eingestuft werden“, so das NRW-Landesamt für Natur und Umweltschutz. „Umweltrelevant“ heißt – der Stoff ist schädlich.

Wie sowas aussieht, konnte man vor einigen Jahren in Indien beobachten. Dort war es zu einem anfangs unerklärlichen Rückgang der Geier-Population gekommen. Die Ursache war schnell herausgefunden: Die Vögel waren u.a. an Nierenversagen gestorben, verursacht durch Diclofenac. Damit hatte man zuvor Rinder behandelt, die nach ihrem irdischen Ableben von den Geiern verspeist wurden. Seit 2005 ist Diclofenac in Indien für die Behandlung von Tieren verboten. Hierzulande ist der Wirkstoff ebenfalls nicht in der Veterinärmedizin zugelassen.

(erschienen in feminin & fit, 4/2013)

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