Scheidentrockenheit: Es gibt viele Ursachen, aber manchmal hilft schon ein längeres Vorspiel

Scheidentrockenheit ist ein komplexes Thema. Davon betroffen ist hierzulande etwa jede fünfte Frau. Auch wenn die Ursachen vielfältig und altersübergreifend sind, ist die Trockenheit aber insbesondere für viele Frauen während oder nach den Wechseljahren ein Problem.

 Wie komplex das Zusammenspiel der Hormone ist, wird durch folgende Zusammenhänge deutlich: Je höher die Konzentration des Testosteron im Blut ist, desto stärker wird das Lustzentrum im Gehirn aktiviert. Das Lustzentrum regt wiederum die Hormonproduktion an, wodurch die Konzentration der Sexualhormone Östrogen und Testosteron im Blut ansteigt.

Als Antwort darauf füllen sich die Gefäße der Vaginalhaut mit Blut und drücken eine klare Flüssigkeit nach außen (Transsudation) und befeuchten die Scheide.

Vaginalwände werden nur schlecht befeuchtet

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Das Problem einer mangelnden Lubrikation (der unzureichenden Befeuchtung der Vaginalwände) und damit das Symptom der trockenen Scheide ist eines der häufigsten Themen in der gynäkologischen Sprechstunde.

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Scheidentrockenheit vertreibt nicht nur die Lust beim Geschlechtsverkehr, sondern kann sich auch im Alltag bemerkbar machen: Symptome wie Spannungsgefühl, Brennen, Juckreiz oder Entzündungen können die belastenden und oft schmerzhaften Folgen sein.

Hauptursache von Scheidentrockenheit: Östrogenspiegel im Blut sinkt

Vaginale Trockenheit wird in erster Linie durch das Absinken des Östrogenspiegels im Blut verursacht. Die Zahl der Zellteilungen und der Zellschichten im Hautgewebe (Plattenepithel) der Vagina verringert sich. Es kommt zu Geweberückbildung und Gewebeschwund (Atrophie) der Vagina. Davon sind besonders die obersten Zellschichten betroffen, die auch für die Erhaltung einer gesunden Scheidenflora wichtig sind.

Die nun dünnere Vaginalhaut verliert an Elastizität und wird zudem schlechter durchblutet, wodurch sich auch die Befeuchtung der Scheidenwand verringert.

Vagninalflora ist nicht mehr ausreichend vor Infektionen geschützt

Die Scheide wird empfindlicher und die Regulierung der Feuchtigkeit dauert länger. Die Abnahme der Östrogenkonzentration führt ebenfalls zu einer erniedrigten Milchsäureproduktion in der Scheidenwand. Der natürliche saure pH-Wert steigt an, wodurch die Vaginalflora nun nicht mehr ausreichend vor Infektionen geschützt ist. Es kommt zu einer Störung der natürlichen Milchsäurebakterienflora. Die Folge: zunehmende Anfälligkeit gegenüber einer bakteriellen Besiedlung oder für Pilzinfektionen.  

Rund um das fünfte Lebensjahrzehnt beginnen meistens die Wechseljahre. In dieser Zeit stellen die Eierstöcke langsam die Funktion ein. Zum Schluss werden dort auch die Sexualhormone Östrogen und Progesteron nicht mehr gebildet. Auch wenn jetzt bei vielen Frauen das Interesse an einer sexuellen Beziehung zurückgeht – einen mechanischen Zusammenhang mit den niedriger werdenden Hormonwerten gibt es nicht.

Geschlechtsverkehr: Bei sexueller Erregung reicht die Feuchtigkeit in der Scheide aus

Die Ursachen für weniger Lust an der Lust alleine in körperlichen Änderungen der Frau zu suchen, wie es insbesondere viele Hersteller von Hormonpräparaten tun, greift zu kurz. So geht die Psychologin Kirsten von Sydow davon aus, dass die Feuchtigkeit in der Scheide bei allen Frauen etwas schwächer wird. Sie sei „jedoch bei den meisten Frauen bei sexueller Erregung auch weiterhin ausreichend für den Geschlechtsverkehr.“ Und weiter sagt sie: „Das sexuelle Interesse und die Erregbarkeit sind eher relativ unbeeinflusst von den Wechseljahren. Es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen Östrogenspiegel und sexueller Aktivität, sexuellem Interesse, Genuss und Erregbarkeit.“

 Fakt ist auch: Frauen, deren Sexualleben nie lustvoll war, klagen häufiger über Scheidentrockenheit. Untersuchungen haben auch folgendes bestätigt: Einzelne Frauen nehmen die Wechseljahre zum Anlass, eine sich vielleicht schon über Jahre hinziehende unbefriedigende sexuelle Beziehung zu beenden. Kirsten von Sydow: „Hintergrund dafür sind meist ‘alte’ sexuelle Probleme und ebenfalls schon lange bestehende sexuelle Lustlosigkeit.“
Und nicht zu vergessen: Auch Potenzprobleme oder Krankheiten des Partners lassen die Lust auf Sex wegen fehlender Möglichkeiten in den Keller gehen.

Ängste, Nervosität, Konflikte oder Stress als Ursache für Scheidentrockenheit

Aber nicht nur in der Menopause, sondern auch nach einer Entbindung unterliegt der weibliche Hormonhaushalt Anpassungs- und Umstellungsvorgängen, die zu einem vorübergehenden Östrogenmangel führen. Wird darüber hinaus gestillt, ist das Hormon Prolaktin, das einen fördernden Einfluss auf die Milchbildung hat, vorherrschend und verdrängt das Östrogen. Nicht zuletzt dauert es bei manchen Frauen nach der Geburt etwas länger, bis sie ein positives Körpergefühl und Entspannung und damit auch die Lust auf Sexualität wieder zurückgewinnen.

Wenn die Scheide zu trocken ist, verstecken sich dahinter möglicherweise auch psychische oder psychosoziale Ursachen wie zum Beispiel Ängste, Nervosität, Konflikte oder Stress, die das sexuelle Verlangen durch eine Überproduktion des Stresshormons Cortiosol – dem Gegenspieler des Testosterons – unterdrücken können.  

Antibabypille: Der häufigste Grund für hormonell verursachte sexuelle Störungen und Scheidentrockenheit

Schwankende Östrogenspiegel werden auch durch die Einnahme der Antibabypille erzeugt. Einige Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass die langfristige Einnahme der Pille der häufigste Grund für hormonell verursachte sexuelle Störungen bei Frauen sei. Doch aus naheliegenden Gründe hätten die Pharmafirmen kein Interesse an einer Aufklärung der genauen Zusammenhänge.

Frauen mit Bluthochdruck oder unzureichend eingestelltem Blutdruck leiden ebenfalls häufiger als andere Frauen unter Scheidentrockenheit. Verursacht wird das durch die damit oft einhergehenden Gefäßverkalkungen.

Wechseljahre haben nur einen geringen Einfluss auf das sexuelle Interesse, die Erregbarkeit und Orgasmusfähigkeit

Für viele Frauen aber auch für viele Ärzte ist es keine Frage: Die Wechseljahre gehen mit einer Beeinträchtigung der sexuellen Erlebnisfähigkeit einher. Doch dieser Meinung widerspricht die Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung (pro familia): „Die hormonellen Veränderungen der Wechseljahre selbst haben nur einen geringen Einfluss auf das sexuelle Interesse, die Erregbarkeit und Orgasmusfähigkeit.“

Viele Frauen litten im Alter in erster Linie unter einem Mangel an Nähe und Zärtlichkeit, zum Beispiel nach dem Verlust eines Partners (Tod, Trennung, Scheidung) und weniger unter dem Rückgang der sexuellen Aktivität, sagt pro familia.

Problem bei jungen Frauen: Geschlechtsverkehr ohne sexuelle Erregung

Oft taucht mit den Wechseljahren aber folgendes Problem auf: Weil die Vagina von jüngeren Frauen in sexuell nicht erregtem Zustand feuchter ist als die von älteren Frauen, kommt es nicht selten bei jüngeren Frauen zu Geschlechtsverkehr ohne sexuelle Erregung. Wenn Paare dieses Verhaltensmuster, das sie vielleicht über Jahre als „normal“ akzeptiert haben, auch während und nach den Wechseljahren praktizieren, dann kann das für die betroffenen Frauen schmerzhaft werden. „Dyspareunie“ – schmerzhafter Geschlechtsverkehr – wird als eigenständiges Krankheitsbild behandelt. Wenn organische Ursachen für die Schmerzen (z. B. Myome, Endometriose, Dammschnitt nach einer Geburt) ausgeschlossen werden können, ist der Partner an der Reihe.

Längeres sexuelles Vorspiel kann Wunder wirken

Ein längeres sexuelles Vorspiel kann hier schon Wunder wirken. Da durch die natürlichen hormonellen Umstellungen die Haut von Vulva und Vagina dünner, verletzungs- und infektionsanfälliger wird, können unterstützend lokal wirkende Cremes oder Gele sinnvoll sein.

Sicher ist: Eine Hormonersatztherapie ist meist keine Hilfe bei sexuellen und/oder partnerschaftlichen Problemen. Viel entscheidender ist eine intakte Partnerschaft und die Gesundheit des Partners. Stress, den Frauen im Beruf ausgesetzt sind, kann ebenfalls zu einem negativen Faktor in der sexuellen Beziehung werden.