Kontrollzwang: Rütteln bis die Tür kaputt geht. Doch es gibt Auswege aus der Welt der Zwänge

Habe ich die Haustüre wirklich abgeschlossen? Ist die Herdplatte aus? Läuft im Bad vielleicht doch noch Wasser in die Wanne? Brennt tatsächlich nirgendwo mehr eine Lampe? Ist das Bügeleisen aus? Manche Menschen können ihre Wohnung nur dann verlassen, wenn sie bis zu vier, fünf Mal – vielleicht sogar nach einem festen Schema – mit kritischem Blick durch alle Zimmer gelaufen sind. Kontrollzwang nennen Psychologen dieses zeitaufwändige Verhalten, das die Lebensqualität massiv beeinträchtigen kann. Doch es gibt Auswege aus dieser Welt der Zwangshand­lungen.

Zwänge können auch ein anderes Gesicht haben. Dr. Katarina Stengler, Leiterin der Psychia­trischen Ambulanz an der Uni-Klinik Leipzig, nennt folgendes Beispiel für einen Gedankenzwang: Eine Studentin sitzt in der Vorlesung und kontrolliert in Gedanken, ob sie die Endfassung der letzten Hausarbeit, die sie vergangene Woche abgegeben hat, auch richtig zusammengesetzt, geheftet und abgegeben hat. Immer und immer wieder geht sie in Gedanken die ausgeführten Schritte durch – versucht sich an Dinge zu erinnern, vollzieht ihre Handlungen genau nach: Dort stand ich, dort lag dies und jenes dort . . . In den nächsten Monaten wird sie von dem Zwang, sich über diese Ereignisse Gedanken zu machen, so sehr belastet, dass sie ihr Studium unterbrechen muss.

Ein Kontrollzwang beginnt schleichend

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Jeder Mensch braucht kleine Rituale oder auch Gedanken, die den Alltag strukturieren. Wer den Tag am Schreibtisch nur mit einer Tasse Kaffee beginnen kann und sich auf dieses morgendliche Ritual mit der gluckernden Kaffeemaschine vielleicht sogar schon freut, leidet nicht unter . „Krankhaft werden Wiederholungen, Rituale, sich aufdrängende Gedanken erst dann, wenn sie den Alltag beeinträchtigen“, sagt Katarina Stengler. Wenn Freunde oder Bekannte sich über bestimmte Verhaltsweisen wundern, „dann sollten Sie innehalten und versuchen, dem Gesagten nachzuspüren“, rät die Medizinerin.

Der Zwang, seine Handlungen kontrollieren zu müssen, beginnt oft schleichend. Die Zwänge sind meist nicht plötzlich da, „sondern entwickeln sich langsam aus persönlichen Macken“, erläutert Dr. Katarina Stengler die Hinter­gründe. Erst allmählich merke man dann, dass es anders nicht mehr gehe.

Waschzwang, Reinigungszwang und der Zwang, Abläufe zu wiederholen

Das Spektrum zwanghafter Handlungen ist breit gefächert: Da gibt es die Angst, in der Öffentlichkeit plötzlich obszöne Gedanken oder Beleidigungen laut zu äußern. Oder man macht sich übertriebene Sorgen, dass etwas am eigenen Äußeren nicht stimmt, obwohl alle das Gegenteil versichern. Wasch- und Reinigungs­zwänge gehören ebenso zu den Kontrollzwängen, wie der allgemeine Zwang, Abläufe zu wiederholen.

Auch den Zwang, Dinge zu sammeln und aufzuheben, zählen Wissen­schaft­ler zu diesem Krankheitsbild: Aus Angst vor dem Verlust wichtiger Infor­mationen oder persönlicher Gegen­stände wird nichts weggeworfen.

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