Krebs-Behandlung: Die Erfolge der ketogenen Ernährung

Ungesunde und einseitige Ernährung kann Krebs auslösen. Doch lässt sich Krebs mit der richtigen Ernährung auch verhindern oder zumindest im Wachstum verlangsamen? Im Mittelpunkt steht die ketogene Ernährung, eine extrem kohlenhydratarme Diät. Damit kann es klappen, sagen Wissenschaftler. Und sie machen sogar fundierte Vorschläge, welche Nahrungsmittel die Krebs-Behandlung spürbar fördern können.

Am Universitätsklinikum Würzburg beschäftigt man sich schon seit längerem mit der richtigen Ernährung bei Krebserkrankungen. Grundlage ist eine schon fast 80 Jahre alte Vermutung des Mediziners und Nobelpreisträgers Otto Heinrich Warburg. Er hatte bei seiner wissenschaftlichen Arbeit in der Umgebung von Krebszellen erhöhte Milchsäurekonzentrationen registriert. Seine Überlegung war: Krebszellen haben einen anderen Stoffwechsel als gesunde Zellen. Mittlerweile weiß man: Otto Warburg hatte recht. Während gesunde Zellen Zucker als Treibstoff verbrennen, wird er in Krebszellen vergoren – Wissenschaftler sprechen von einem Vergärungsstoffwechsel – mit schlimmen gesundheitlichen Konsequenzen.

Zucker hält Krebszellen am Leben

Um zu überleben und zu wachsen brauchen Krebszellen eine stetige Zufuhr an Glucose (so der genaue Name dieser Zuckerart), die in Form von Kohlenhydraten in großen Mengen z. B. in Haushaltszucker, Mehl oder Kartoffeln steckt. Die Glucose hält die Krebszellen am Leben. Doch nicht nur das: Die bei diesem Vergärungsstoffwechsel gebildete Milchsäure übersäuert das Gewebe in unmittelbarer Umgebung der Krebszellen und führt zu einer Zerstörung der angrenzenden säureempfindlichen gesunden Zellen. Die Folge: Es entsteht Platz für die weiter wachsenden aggressiven Krebszellen. Gravierend sind auch die Folgen für Chemotherapie und Bestrahlung – Krebszellen sind oft unempfindlich gegenüber diesen Behandlungen (therapieresistent).

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Am Universitätsklinikum Würzburg und auch in anderen Krankenhäusern geht man nun den Weg der Ernährungsumstellung – die Versorgung der Krebspatienten mit Kohlenhydraten wird drastisch zurückgefahren.

Ketogene Diät in Begleitung zu einer Chemotherapie

Ketogene Diät nennt sich diese Ernährungsform, die mit wenigen Gramm Kohlenhydraten pro Tag auskommt. Im Mittelpunkt der Ernährung stehen viel Gemüse, Eiweiss und ernährungsphysiologisch wertvolle Fette. „Einzelbeobachtungen an Tumorpatienten, die bereits eine solche ketogene Ernährung durchführen, geben Anlass zu der Hoffnung, dass diese Form der Diät das Fortschreiten einer Tumorerkrankung aufhalten oder zumindest verlangsamen könnte“, so die Krebsforscherin Prof. Ulrike Kämmerer von der Uniklinik Würzburg.

Dort wird derzeit auch eine wissenschaftliche Studie über diese Ernäh­rungsform erstellt. Fest steht jetzt schon: „In Begleitung zu einer Chemotherapie durchgeführt, kann diese Ernährungsform die Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Bauchschmerzen und Übelkeit reduzieren sowie den Gewichtsverlust verhindern“, sagt Ulrike Kämmerer.

Ketogene Ernährung: Der Zucker wird aus Eiweiß und Fett hergestellt

Was geht im Körper bei einer ketogenen Ernährung aber nun vor sich? Bei einer kohlenhydratreichen Ernährung – die in der westlichen Welt der Standard ist – holt sich der Organismus seine Energie (Zucker und Stärke) direkt aus den Kohlenhydraten. Bei einer kohlenhydratarmen Ernährung muss er sich nun den Zucker, den der Organismus zum Funktionieren braucht, aus Eiweiß und Fett selbst herstellen. Nur ein kleiner Teil kommt über die Kohlenhydrate aus der Nahrung (Gemüse, Milchprodukte etc.). Gesunde Körperzellen schaffen diese Ernährungsumstellung problemlos. Deshalb können sich traditionell lebende Eskimos und Massai ihr Leben lang extrem kohlenhydratarm von Fisch, Fleisch und Milch ernähren, ohne dabei krank zu werden.

Krebszellen hingegen können ohne direkte Zuckerzufuhr nur schwer überleben, da ausschließlich Glukosezucker als Energiequelle für die Vergärung verwendet werden kann. Öle und Fette z.B. können die Krebszellen nicht mehr oder nur noch schlecht als Energiequellen verwenden. Mit einer solchen ketogenen Ernährung wird also dem Krebs die Lebensgrundlage entzogen. Und genau das ist das Ziel der Ernährungsumstellung.

Ketogene Ernährung: Keine schnellen Anstiege des Blutzuckerspiegels

Ein weiterer wichtiger Vorteil der ketogenen Ernährung ist: Es gibt keine schnellen Anstiege des Blutzuckerspiegels mehr. Auch insgesamt wird wesentlich weniger Insulin ins Blut ausgeschüttet. Die eigentliche Aufgabe dieses Hormons ist es, den Zucker in die Zellen zu transportieren. Gleichzeitig wirkt Insulin aber für viele Tumore auch als Wachstumsfaktor. Bei einem niedrigen Insulinspiegel im Blut fällt dieser Wachstumsanreger entsprechend schwach aus.

Aufgrund der spürbaren Auswirkungen auf die benötigte Insulinmenge sollten insbesondere Diabetiker eine solche Ernährungsumstellung nicht ohne ärztliche Begleitung machen, da die gespritzte Insulinmenge häufig recht drastisch reduziert werden muss. Oft genug kann darauf ganz verzichtet werden.

Mechanismus entdeckt, der in Krebszellen aktiv ist

Dass man einen Krebs über die Ernährung beeinflussen kann, davon geht auch der Darmstädter Biologe Dr. Johannes Coy aus. Aufgrund seiner Forschungen vermutet er auch den Mechanismus entdeckt zu haben, der in Krebszellen aktiv ist. Es ist das sogenannte TKTL1-Gen, das in seiner aktivierten Form insbesondere in aggressiven Tumoren nachweisbar ist und grundsätzlich in allen Krebsarten vorkommen kann.

Mit einem Labor-Test ist es mittlerweile möglich zu ermitteln, ob aktivierte TKTL1-Gene vorhanden sind und wie hoch die Konzentration in den Tumorzellen ist. Eine Ernährungsumstellung macht insbesondere in diesen Fällen Sinn, denn TKTL1-positive Krebszellen sind abhängig von einer ausreichenden Zuckerversorgung, die es dann zu kappen gilt.

Auch wenn mittlerweile immer mehr Wissenschaftler die Schlüsselrolle von TKTL1 bestätigen und generell einen Neuanfang in der Krebsprävention und der Behandlung von Krebs fordern, geht zum Beispiel die Deutsche Krebsgesellschaft davon aus, dass eine spezielle Krebsdiät derzeit nicht empfohlen werden könne.

Dr. Coy hat ein Ernährungskonzept entwickelt

Doch davon zeigt sich Johannes Coy wenig beeindruckt. Der Wissenschaftler hat ein Ernährungskonzept entwickelt, mit dem in erster Linie die Ergebnisse bei Chemo- und Strahlentherapien verbessert werden sollen. Denn noch gibt es keine zugelassenen Medikamente, die ein aktiviertes TKTL1-Gen und damit den Vergärungsprozess hemmen.

Im Mittelpunkt aller Ernährungsvorschläge, mit denen Krebszellen die Energieversorgung entzogen werden soll, steht die kohlenhydratreduzierte Ernährung. So empfehlen die Mediziner von der Universitäts-Frauenklinik Würzburg für eine strenge Krebsdiät  – je nach körperlicher Verfassung – 20 bis 30, bei einem täglichen Sportprogramm höchstens 50 g Kohlenhydrate pro Tag.

Wer sich hingegen weniger streng, nämlich „nur“ kohlenhydratarm ernähren will, „kann auf bis zu 70 Gramm Kohlenhydrate am Tag oder auch höher gehen“. Eine solche Diät kann als dauerhafte Ernährung zur Krebsvorbeugung verstanden werden.

Nierensteine verhindern: Immer ausreichend trinken

In jedem Fall passt sich der Körper nach einer Umstellungsphase an eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung an. Die Kohlenhydrate sollten auf alle Mahlzeiten des Tages möglichst gleichmäßig aufgeteilt werden. Zur Vermeidung von Nierensteinen muss immer ausreichend getrunken werden, ca. zwei bis drei Liter Wasser, grüner oder Kräuter-Tee pro Tag. Muss man aber nicht Bedenken vor dem recht hohen Fettanteil im Essen haben? Nein, heißt es am Universitätsklinikum Würzburg: „Es gibt viele (!) neue wissenschaftliche Studien, die eindeutig belegen, dass Fettkonsum nichts mit klassischen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Arteriosklerose zu tun hat“, so die Mediziner.

Empfehlenswert: MCT-Fette und Omega-3-Fettsäuren

Zu den empfehlenswerten Fetten gehören auch sogenannte MCT-Fette (stecken u.a. in Butter und Kokosnussöl, erhältlich in Apotheken) und Omega-3-Fettsäuren. Beide haben in mehreren Studien eine hemmende Wirkung auf das Wachstum von Tumoren gezeigt. So empfiehlt Dr. Johannes Coy 10 Gramm pro Tag und Fettart. Seine weiteren Ernährungsvorschläge sind: 100 mg Tocotrienol pro Tag – ein ungesättigtes Vitamin E, das die Krebszellen schwächt –, reichlich sekundäre Pflanzenstoffe in Form von Beerenobst und Gemüse sowie milchsauer vergorene Lebensmittel (Sauerkraut, Molke, Buttermilch etc.).

Und diesmal ist „sauer“ gut: Denn beim Abbau der Nahrungsmilchsäure in der Leber kommt es zu einer entsäuernden (basischen) Wirkung. Dies wiederum hilft, die von den Krebszellen produzierte Milchsäure zu neutralisieren bzw. abzupuffern und ihnen ihre Aggressivität zu nehmen.

Dr. Coys Ernährungsrichtlinien sind mittlerweile auch in gesundheitsorientierten Hotels die Grundlage für die tägliche Ernährung z. B. von Krebspatienten, die sich auf eine Strahlen- oder Chemotherapie vorbereiten. Entsprechende Angebote gibt es unter anderem im Wellnesshotel „Auerhahn“ in Schluchsee sowie im Bio-Wellnesshotel „Alpenblick“ in Höchenschwand (beide liegen im Schwarzwald).

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